Konsequent Spezialisiert
Wir sind eine nahezu ausschließlich im Verwaltungs- und Sozialrecht tätige Anwaltskanzlei. Unsere Kernbereiche sind
Daneben bearbeiten wir auch Fälle aus dem Prüfungsrecht (Schul- und Hochschulprüfungen, sonstige berufliche Prüfungen) und aus dem Gewerberecht.
Unsere Mandanten sind Unternehmen und Privatpersonen, Träger der gesetzlichen Sozialversicherung sowie soziale Einrichtungen. Wir arbeiten bundesweit.
Aktuelles:
Beamtenrecht: Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit
Die Suchpflicht des Dienstherrn nach anderweitiger Verwendung entfällt, wenn der Beamte eine rechtmäßig angeordnete ärztliche Untersuchung verweigert
Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 27.06.2024 entschieden: Wenn eine Beamtin/ein Beamter sich weigert, sich einer rechtmäßig angeordneten ärztlichen Untersuchung zur Überprüfung der Dienstfähigkeit zu unterziehen, darf der Dienstherr aus der Weigerung auf Dienstunfähigkeit schließen, weil es keine belastbaren medizinischen Feststellungen über das verbliebene gesundheitliche Leistungsvermögen gibt. Deshalb ist in einem solchen Fall von einer generellen Dienstunfähigkeit auszugehen. Das bedeutet zugleich, dass der Dienstherrn nicht mehr verpflichtet ist, nach einer anderweitigen Verwendung für die Beamtin/den Beamten zu suchen. Voraussetzung ist allerdings, dass die ärztliche Untersuchung rechtmäßig angeordnet wurde.
BVerwG – U.v. 27.06.2024 - 2 C 17.23
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Fehler in der staatlichen Prüfung für Physiotherapeuten
Die Durchführung der staatlichen Physiotherapeutenprüfung ist gesetzlich geregelt (Ausbildungs- und Prüfungsverordung für Physiotherapeuten - PhysTh-APrV). Prüfungsfehler, die sich auf das Ergebnis auswirken, können zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung und Berechtigung zur Wiederholung der Prüfung insgesamt oder einzelner Prüfungsteile führen.
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat in einem Beschluss vom 16.10.2024 eine Reihe solcher Fehler aufgezählt. Bei diesem Beschluss handelt es sich nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern um eine Entscheidung über die Kosten des Gerichtsverfahrens. Die Kandidatin hatte die Prüfung zunächst nicht bestanden und dagegen geklagt. Während des laufenden Gerichtsverfahrens führte sie die ihr gesetzlich zustehende erste Wiederholung der Prüfung durch, die sie bestand. Die Klage gegen das Ergebnis des ersten Prüfungsdurchgangs hatte sich damit erledigt. Das Verwaltungsgericht konnte das Verfahren einstellen und musste nur noch über die Verteilung der Verfahrenskosten entscheiden. Für die Kostenverteilung kommt es darauf an, wie das Verfahren in der Hauptsache ausgegangen wäre, wenn das Gericht durch Urteil hätte entscheiden müssen.
In unserem Fall wurden die Kosten zu zwei Drittel der Prüfungsbehörde auferlegt. Das Gericht erkannte zunächst einen erheblichen Fehler in der Durchführung des schriftlichen Teils der Prüfung in der Fächergruppe 3 gemäß § 12 PhysThAPrV (Prävention und Rehabilitation; Methodische Anwendung der Physiotherapie in den medizinischen Fachgebieten). An diesem Prüfungsteil hatte eine Prüferin als Zweitprüferin teilgenommen, die nur als Stellvertreterin benannt war. Es lag aber kein Verhinderungsfall vor, jedenfalls war in den Prüfungsunterlagen nichts dokumentiert.
Den gleichen Fehler stellte das Gericht auch für die Durchführung des praktischen Teils der Prüfung in der Fächergruppe 3 gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysThAPrV (Methodische Anwendung der Physiotherapie in den medizinischen Fachgebieten) für die Prüfungsteile Gynäkologie und Chirurgie fest.
Für die mündliche Prüfung des Fachs Physiologie verneinte das Gericht einen Verfahrensfehler. Vorgeschrieben ist die Abnahme der Prüfung durch zwei Prüfer. Die Klägerin hatte gerügt, dass in der Prüfung zwar zwei Prüfer anwesend waren, jedoch nur ein Prüfer tatsächlich geprüft hatte. Der zweite Prüfer habe sich absolut passiv verhalten. Das Gericht stützte sich bei der Bewertung nach Aktenlage auf die Prüfungsprotokolle, aus denen sich nach Auffassung der Richterin kein Anhaltspunkt für ein passives Verhalten ergab. Bei Durchführung des Hauptsacheverfahrens hätte zu dieser Frage ggf. ein weiterer Beweis erhoben werden müssen.
VG Würzburg – B.v.16.10.2024 – W 2 K 23.1393
Weitere Infos zur Physiotherapeutenprüfung: Abschlussprüfung in der Physiotherapie: Bei der letzten Wiederholungsmöglichkeit ist das Mehrprüferprinzip zu beachten
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Krankengeld: Weiterzahlung nach einstweiliger Anordnung
Im Dezember 2024 konnten wir beim LSG Baden-Württemberg eine einstweilige Verfügung gegen eine gesetzliche Krankenkasse erstreiten. Die Kasse wurde durch Gerichtsbeschluss verpflichtet, einem Versicherten vorläufig weiterhin Krankengeld auszuzahlen. Der Versicherte war u.a. wegen psychischer Beschwerden längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Der MD hatte auf Anfrage der Krankenkasse im April 2024 nach Untersuchung des Versicherten die Arbeitsunfähigkeit bestätigt und zugleich mitgeteilt, dass die weitere Prognose unsicher sei. Im September wandte sich die KK erneut an den MD. Dieser stellt lediglich nach Aktenlage fest, dass in medizinischer Hinsicht nicht weiter von Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei, weil keine wesentlichen Gründe für Arbeitsunfähigkeit dokumentiert seien. Eine persönliche Untersuchung führte der MD diesmal nicht durch. Die KK stellte auf der Grundlage dieser Mitteilung die weitere Zahlung ein. Der Versicherte legte dagegen Widerspruch ein. Parallel beantragten wir beim Sozialgericht Freiburg eine einstweilige Anordnung, die das Gericht jedoch ablehnte. Es war der Auffassung, dass der Versicherte durch Ehegattenunterhalt finanziell abgesichert sie und deshalb keine Entscheidung im Eilverfahren getroffen werden müsste. Die dagegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg. Das Landessozialgericht in Stuttgart ging mit der Begutachtungspraxis des MD und dem Verwaltungshandeln der KK hart ins Gericht:
Da die Krankenkasse auch die Vorlage ordnungsgemäßer AU-Bescheinigungen angezweifelt hatte, stellte das LSG zunächst fest, dass die ärztlichen AU-Bescheinigungen nicht formgebunden seien. Es genüge, wenn die Feststellung in einem Akt mit Außenwirkung dokumentiert sei. Der Arzt müsse nicht Vertragsarzt sein und die Verwendung eines Formulars oder amtlichen Vordrucks sei nicht vorgeschrieben.
Die Sozialmedizinische Stellungnahme des MD, die ohne jegliche Untersuchung erfolgt sei, sei – so wörtlich - „vollkommen unbrauchbar.“ Die Krankenkasse hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Der Versicherte trage zwar die Beweislast für das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des nur abschnittsweise bewilligten Krankengeldes und muss auch an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken. Dies entbinde die Krankenkasse aber nicht von der Pflicht, den Sachverhalt aufzuklären. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Mitwirkungspflicht des Versicherten Grenzen hat, insbesondere, wenn eine Erkrankung wie eine schwere Depression im Raum stehe. Vorrangig seien die behandelnden Ärzte zur Übermittlung von Befundunterlagen aufzufordern. Wenn diese ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, könne nicht nach Beweislastregeln zu Lasten des Versicherten entschieden werden. Der Sachverhalt sein in einem solchen Fall durch Einholung eines Gutachtens aufgrund einer Untersuchung des Versicherten weiter aufzuklären.
LSG Baden-Württemberg – B.v. 18.12.2024 – L 5 KR 3444/24 ER-B
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Krankengeld Weiterbezug während eines Auslandsaufenthalts
Wer gesetzlich krankenversichert ist, muss im Falle eines Auslandsaufenthalts Einschränkungen hinnehmen. Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, dass der Anspruch auf Leistungen ruht, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 SGB V). Diese Bestimmung betrifft grundsätzlich alle Leistungen der Krankenkasse. Hintergrund dieser Einschränkung sind etwaige Schwierigkeiten bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Ausland sowie der Gefahr von Leistungsmissbrauch.
Ausnahme bei Krankengeldbezug
Für den Bezug von Krankengeld gibt es eine Ausnahme: Der Anspruch auf Krankengeld ruht nicht, solange sich Versicherte nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit Zustimmung der Krankenkasse im Ausland aufhalten (§ 16 Abs. 4 SGB V). Ein Krankengeldbezieher, der sich ins Ausland begeben will, muss daher bei seiner Krankenkasse eine Genehmigung beantragen. solche Genehmigungen werden von Krankenkassen mitunter verweigert, wenn z.B. der Medizinische Dienst Bedenken äußerte, ob die Reise der Genesung förderlich sei.
Hierzu hat das Bundessozialgericht in einem Urteil vom 04.06.2019 entschieden, dass die Entscheidung über eine Zustimmungserteilung nach § 16 Abs 4 SGB V nicht im Ermessen der Krankenkasse stehe. Die Krankenkasse muss die Zustimmung zum Auslandsaufenthalt eines arbeitsunfähigen Versicherten in einem Mitgliedstaat der EU zur Fortzahlung des Krankengelds erteilen, wenn kein Zweifel an dessen Arbeitsunfähigkeit besteht und kein Leistungsmissbrauch vorliegt. Ob die Reise außerdem auch noch die Genesung fördert, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
BSG – U.v. 04.06.2019 - B 3 KR 23/18 R