Konsequent spezialisiert

Wir sind eine nahezu ausschließlich im Verwaltungs- und Sozialrecht tätige Anwaltskanzlei. Unsere Kernbereiche sind

Daneben bearbeiten wir auch Fälle aus dem Prüfungsrecht (Schul- und Hochschulprüfungen, sonstige berufliche Prüfungen) und aus dem Gewerberecht.

Unsere Mandanten sind Unternehmen und Privatpersonen, Träger der gesetzlichen Sozialversicherung sowie soziale Einrichtungen. Wir arbeiten bundesweit.

 

Aktuelles:

Fehler in der staatlichen Prüfung für Physiotherapeuten

Die Durchführung der staatlichen Physiotherapeutenprüfung ist gesetzlich geregelt (Ausbildungs- und Prüfungsverordung für Physiotherapeuten - PhysTh-APrV). Prüfungsfehler, die sich auf das Ergebnis auswirken, können zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung und Berechtigung zur Wiederholung der Prüfung insgesamt oder einzelner Prüfungsteile führen.

Das Verwaltungsgericht Würzburg hat in einem Beschluss vom 16.10.2024 eine Reihe solcher Fehler aufgezählt. Bei diesem Beschluss handelt es sich nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern um eine Entscheidung über die Kosten des Gerichtsverfahrens. Die Kandidatin hatte die Prüfung zunächst nicht bestanden und dagegen geklagt. Während des laufenden Gerichtsverfahrens führte sie die ihr gesetzlich zustehende erste Wiederholung der Prüfung durch, die sie bestand. Die Klage gegen das Ergebnis des ersten Prüfungsdurchgangs hatte sich damit erledigt. Das Verwaltungsgericht konnte das Verfahren einstellen und musste nur noch über die Verteilung der Verfahrenskosten entscheiden. Für die Kostenverteilung kommt es darauf an, wie das Verfahren in der Hauptsache ausgegangen wäre, wenn das Gericht durch Urteil hätte entscheiden müssen.

In unserem Fall wurden die Kosten zu zwei Drittel der Prüfungsbehörde auferlegt. Das Gericht erkannte zunächst einen erheblichen Fehler in der Durchführung des schriftlichen Teils der Prüfung in der Fächergruppe 3 gemäß § 12 PhysThAPrV (Prävention und Rehabilitation; Methodische Anwendung der Physiotherapie in den medizinischen Fachgebieten). An diesem Prüfungsteil hatte eine Prüferin als Zweitprüferin teilgenommen, die nur als Stellvertreterin benannt war. Es lag aber kein Verhinderungsfall vor, jedenfalls war in den Prüfungsunterlagen nichts dokumentiert.

Den gleichen Fehler stellte das Gericht auch für die Durchführung des praktischen Teils der Prüfung in der Fächergruppe 3 gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysThAPrV (Methodische Anwendung der Physiotherapie in den medizinischen Fachgebieten) für die Prüfungsteile Gynäkologie und Chirurgie fest.

Für die mündliche Prüfung des Fachs Physiologie verneinte das Gericht einen Verfahrensfehler. Vorgeschrieben ist die Abnahme der Prüfung durch zwei Prüfer. Die Klägerin hatte gerügt, dass in der Prüfung zwar zwei Prüfer anwesend waren, jedoch nur ein Prüfer tatsächlich geprüft hatte. Der zweite Prüfer habe sich absolut passiv verhalten. Das Gericht stützte sich bei der Bewertung nach Aktenlage auf die Prüfungsprotokolle, aus denen sich nach Auffassung der Richterin kein Anhaltspunkt für ein passives Verhalten ergab. Bei Durchführung des Hauptsacheverfahrens hätte zu dieser Frage ggf. ein weiterer Beweis erhoben werden müssen.

VG Würzburg – B.v.16.10.2024 – W 2 K 23.1393

Weitere Infos zur Physiotherapeutenprüfung: Abschlussprüfung in der Physiotherapie: Bei der letzten Wiederholungsmöglichkeit ist das Mehrprüferprinzip zu beachten

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Krankengeld: Weiterzahlung nach einstweiliger Anordnung

Im Dezember 2024 konnten wir beim LSG Baden-Württemberg eine einstweilige Verfügung gegen eine gesetzliche Krankenkasse erstreiten. Die Kasse wurde durch Gerichtsbeschluss verpflichtet, einem Versicherten vorläufig weiterhin Krankengeld auszuzahlen. Der Versicherte war u.a. wegen psychischer Beschwerden längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Der MD hatte auf Anfrage der Krankenkasse im April 2024 nach Untersuchung des Versicherten die Arbeitsunfähigkeit bestätigt und zugleich mitgeteilt, dass die weitere Prognose unsicher sei. Im September wandte sich die KK erneut an den MD. Dieser stellt lediglich nach Aktenlage fest, dass in medizinischer Hinsicht nicht weiter von Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei, weil keine wesentlichen Gründe für Arbeitsunfähigkeit dokumentiert seien. Eine persönliche Untersuchung führte der MD diesmal nicht durch. Die KK stellte auf der Grundlage dieser Mitteilung die weitere Zahlung ein. Der Versicherte legte dagegen Widerspruch ein. Parallel beantragten wir beim Sozialgericht Freiburg eine einstweilige Anordnung, die das Gericht jedoch ablehnte. Es war der Auffassung, dass der Versicherte durch Ehegattenunterhalt finanziell abgesichert sie und deshalb keine Entscheidung im Eilverfahren getroffen werden müsste. Die dagegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg. Das Landessozialgericht in Stuttgart ging mit der Begutachtungspraxis des MD und dem Verwaltungshandeln der KK hart ins Gericht:

Da die Krankenkasse auch die Vorlage ordnungsgemäßer AU-Bescheinigungen angezweifelt hatte, stellte das LSG zunächst fest, dass die ärztlichen AU-Bescheinigungen nicht formgebunden seien. Es genüge, wenn die Feststellung in einem Akt mit Außenwirkung dokumentiert sei. Der Arzt müsse nicht Vertragsarzt sein und die Verwendung eines Formulars oder amtlichen Vordrucks sei nicht vorgeschrieben.

Die Sozialmedizinische Stellungnahme des MD, die ohne jegliche Untersuchung erfolgt sei, sei – so wörtlich - „vollkommen unbrauchbar.“ Die Krankenkasse hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Der Versicherte trage zwar die Beweislast für das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des nur abschnittsweise bewilligten Krankengeldes und muss auch an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken. Dies entbinde die Krankenkasse aber nicht von der Pflicht, den Sachverhalt aufzuklären. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Mitwirkungspflicht des Versicherten Grenzen hat, insbesondere, wenn eine Erkrankung wie eine schwere Depression im Raum stehe. Vorrangig seien die behandelnden Ärzte zur Übermittlung von Befundunterlagen aufzufordern. Wenn diese ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, könne nicht nach Beweislastregeln zu Lasten des Versicherten entschieden werden. Der Sachverhalt sein in einem solchen Fall durch Einholung eines Gutachtens aufgrund einer Untersuchung des Versicherten weiter aufzuklären.

LSG Baden-Württemberg – B.v. 18.12.2024 – L 5 KR 3444/24 ER-B

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Rückforderung von Bezügen - Verteidigungsmöglichkeiten

Wenn eine Beamtin/ein Beamter überhöhte Dienstbezüge erhält, sind diese zu erstatten. Der Erstattungsanspruch des Dienstherrn ist in den Besoldungs- und Versorgungsgesetzen des Bundes und der Länder ausdrücklich verankert (z.B. § 12 BBesG, § 52 BeamtVG). Überzahlungen sind gar nicht so selten. Welche Ansatzpunkte gibt es, um sich gegen Rückforderungsansprüche zu wehren?
 
I. Verbrauch (sog. Entreicherung)
In manchen Fällen lässt sich gegen den Rückforderungsanspruch einwenden, dass die Überzahlung im Rahmen der üblichen Haushaltsführung verbraucht ist. In diesem Falle ist der Beamte nicht mehr bereichert und die Rückzahlungsverpflichtung entfällt (§ 818 Abs. 3 BGB). Für den Verbrauch ist der Beamte beweispflichtig. Die Beweisführung kann u.U. schwierig werden. Handelt es sich bei den Überzahlungen um kleinere Monatsbeträge, sehen die Verwaltungsvorschriften zu den Besoldungs- und Versorgungsgesetzen zugunsten der Beamten vor, dass die Entreicherung pauschal unterstellt wird und die Beweispflicht entfällt.
 
Die Berufung auf Entreicherung ist allerdings immer nur dann zulässig, wenn kein Fall der sogenannten verschärften Haftung vorliegt. Soll heißen: Wenn der Beamte die Überzahlung erkennen musste oder jedenfalls mit geringem gedanklichen Aufwand hätten erkennen können, ist er „bösgläubig“ und kann sich nicht mehr auf einen Verbrauch der Leistung berufen (z.B. „§ 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG i.V.m. § 819 BGB). In diesem Zusammenhang ist darauf aufmerksam zu machen, dass der Beamte gegenüber seinem Dienstherrn eine Treuepflicht hat. Er muss ihn im Rahmen seiner Möglichkeiten vor Schaden bewahren. In Bezug auf die Besoldung bedeutet dies, dass er seine Abrechnungen prüfen und selbst bei bloßem Verdacht einer Unregelmäßigkeit oder Ungenauigkeit die Initiative ergreifen muss, um den Fall zu klären. Wenn für ihn erkennbar ist, dass er eine Überzahlung erhält, muss er dies melden.
 
II. Verjährung
Rückforderungsansprüche unterliegen der Verjährung. Die Verjährungsfristen sind in §§ 194ff. BGB geregelt. Je nach Lage der Dinge gibt es rechtlich mehrere denkbare Varianten. Die Einzelheiten können an dieser Stelle nicht vertieft werden. Die für den Beamten günstigste und kürzeste Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Sie greift u.a. dann, wenn der Dienstherr von der Überzahlung Kenntnis hatte oder diese Kenntnis sich grob fahrlässig nicht verschafft hat. Hierzu zählen z.B. Fälle, in denen sich bereits aus der Behördenakte ergibt, dass eine Versorgung gekürzt werden muss, weil z.B. Rentenansprüche anzurechnen oder ein Versorgungsausgleich zu berücksichtigen ist. Die Verjährungsfrist beginnt immer mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist oder der Gläubiger (Dienstherr) die erforderliche Kenntnis von dem Rückforderungsanspruch erlangt hat oder hätte erlangen können (§ 199 Abs. 1 BGB).
 
III. Überwiegendes Mitverschulden der Behörde
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein überwiegendes Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung insoweit zu berücksichtigen, als in diesem Fall ein Abschlag von etwa 30 % vom Gesamtbetrag vorgenommen werden muss. Hier geht es um Fälle, in denen die Behörde sehenden Auges trotz offenkundiger Hinweise auf den Fehler eine Überzahlung veranlasst hat.
 
IV. Billigkeitsentscheidung
Als letztes ist die sogenannte Billigkeitsentscheidung zu nennen. Die Gesetze formulieren sie wie folgt: „Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden“ (§ 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG). Die Behörde ist aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn also verpflichtet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden kann Sie muss insbesondere einschätzen, ob und in welcher Höhe dem Beamten die Überzahlung zugemutet werden kann. Wenn die Forderung nicht betragsmäßig reduziert werden kann, weil die drei erstgenannten Einwendungen nicht greifen, wird in der Regel eine Ratenzahlung eingeräumt, die durch Verrechnung mit laufenden Besoldungs- und Versorgungsansprüchen umgesetzt werden kann.