Sozialhilfe - Eingliederungshilfe


1. Landessozialgericht Niedersachsen Bremen verpflichtet Sozialhilfeträger zur Kostenübernahme für eine Rund-um-die-Uhr Betreuung

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat durch Beschluss vom 23.02.2010 einen örtlichen Sozialhilfeträger verpflichtet, für einen schwerst mehrfachbehinderten Jugendlichen die Kosten einer Rund-um-die-Uhr Betreuung zu übernehmen. Der Jugendliche leidet aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung u.a. an sog. tonischen Anfällen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass Anfälle häufig nicht äußerlich sichtbar sind. Aus diesem Grund ist eine permanente Beobachtung mit kurzen Reaktionszeiten erforderlich. Anderenfalls besteht Lebensgefahr.

Die stationäre Einrichtung, in der sich der Jugendliche befindet, ist personell nicht für die erforderliche Einzelbetreuung gerüstet. Mit dem örtlichen Sozialhilfeträger besteht eine Leistungsvereinbarung, die einen Personalschlüssel von 1:1,4 vorsieht. Dies reicht für eine Rund-um-die-Uhr Betreuung nicht aus. Der Sozialhilfeträger lehnte es ab, Kosten zu übernehmen, die über den vereinbarten Personalschlüssel hinausgehen. Die Einrichtung sicherte den notwendigen Hilfebedarf deshalb zunächst durch Einsatz eine Pflegedienstes, dessen Kosten (ca. 12.000,00 EUR mtl.!) sie zunächst verauslagte. Zugleich wurde der Heimvertrag gekündigt.

Da der Sozialhilfeträger die Kostenübernahme für die lebensnotwendige Zusatzbetreuung weiterhin verweigerte, wurde beim Sozialgericht ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Dieses lehnte den Antrag mit der (sinngemässen) Begründung ab, dass, solange es der Einrichtung gelinge, die Hilfe zu sichern, kein Anspruch auf zusätzliche Eingliederungshilfe bestehe. Das Landessozialgericht hob im Beschwerdeverfahren diesen Beschluss auf, verpflichtete die Beteiligten jedoch zugleich, sich zügig um eine geeignete Einrichtung zu bemühen. In den Gründen heisst es, dass der Sozialhilfeträger den individuellen Bedarf decken müsse (Bedarfsdeckungsgrundsatz) ohne dass er sich auf vertragliche Beschränkungen zwischen dem Land Niedersachsen und der Einrichtung zurückziehen dürfe.

LSG Nds.-Bremen B.v. 23.02.2010 (L 8 SO 40/10 B ER)


2. Sozialgericht Oldenburg verpflichtet Sozialhilfeträger mit einstweiliger Anordnung zur 1:1 - Betreuung

Ein junger Mann mit organischer Persönlichkeitsstörung, Autismus und leichter Intelligenzminderung zeigt in massivem Umfang autoagressives und fremdagressives Verhalten. Nach den Feststellungen einer neurologischen Klinik benötigt er eine rund-um-die-Uhr-Betreuung. Die bisherige Betreuung in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe ist qualitativ zwar sehr gut, reicht aber vom Personalangebot nicht aus, ihn angemessen zu sichern. Als Alternative kommen nur freiheitsentziehende Maßnahmen wie Isolierungen und Fixierungen in Betracht, die nur in einer geschlossenen Einrichtung vollzogen werden könnten. Der zuständige Landkreis als Kostenträger verweist auf die HMB 5, die lediglich 27,85 Stunden Betreuungszeit pro Woche abdeckt. Die Einrichtung sieht sich nicht im Stande, auf der Grundlage der erteilten Bewilligung die Leistungen weiterhin bedarfsgerecht zu erbringen. Die Hilfe kann nur aufrechterhalten werden, wenn eine 1:1-Betreuung erfolgt. Da der Landkreis darauf nicht reagiert, teilte die Einrichtung der gerichtlich bestellten Betreuerin mit Schreiben vom 21.10.2011 mit, dass der Wohn- und Betreuungsvertrag aus wichtigem Grund gekündigt wird, wenn nicht bis zum 01.11.2011 eine Bewilligung des Landkreises vorliege. Der Zahlungsrückstand wird dann die Höhe erreicht haben, die zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Da die notwendige Hilfe gefährdet ist, wird der Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Das Sozialgericht Oldenburg gab diesem Antrag mit Beschluss vom 22.11.2011 statt, weil es nicht verantwortet werden könne, den Mann sich selbst zu überlassen und eine kontinuierliche Betreuung erforderlich sei.

Sozialgericht Oldenburg - 22.11.2011 - S 22 SO 186/11 ER

Das Nds. Landessozialgericht wies die Beschwerde des Landes Niedersachsen zurück.

LSG Niedersachsen-Bremen - 24.04.2012 - L 8 SO 1/12 B/ER


3. Kein Zuständigkeitsstreit auf dem Rücken der Hilfeempfänger - SG Hannover – Beschluss vom 30.08.2016 – S 11 KR 1646/16 ER