Was ist Scheinselbstständigkeit?

Scheinselbstständigkeit ist ein schwammiger Begriff. Von Scheinselbstständigkeit spricht man, wenn jemand als selbstständiger Unternehmer auftritt, obwohl er bei seiner Tätigkeit in den Betrieb seines Auftraggebers eingegliedert und von dessen Weisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer der Tätigkeit abhängig ist und kein eigenes Unternehmerrisiko trägt. Wo die Grenze genau verläuft, ist oftmals jedoch nicht eindeutig. Der Gesetzgeber hat keine klare Definition formuliert. Es kommt auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles an. Oft genug haben die Sozialgerichte das letzte Wort.

Die Bedeutung des Unternehmerrisikos

Die entscheidende Nagelprobe für eine echte Selbstständigkeit dürfte letztlich das Bestehen eines Unternehmerrisikos sein. Wer kein Unternehmerrisiko trägt, ist nicht selbstständig. Das Unternehmerrisiko darf aber nicht mit dem „Auftragsrisiko“ verwechselt werden, das darin besteht, nach einem erledigtem Auftrag keinen Anschlussauftrag zu erhalten. Von den Sozialgerichten wird dieses Risiko nur in allerseltensten Fällen anerkannt. Denn auch ein Arbeitnehmer trägt ein Risiko, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Unternehmerrisiko bedeutet, dass jemand seine Arbeitskraft oder Kapital mit dem Risiko des Verlustes einsetzt.

Beispiel

Der Unterschied lässt sich an zwei vom LSG Baden-Württemberg entschiedenen Fällen erläutern:

Im ersten Fall war der sozialversicherungsrechtliche Status eines selbstständigen Baggerführers streitig, der nicht über eine eigene Maschine verfügte, sondern Geräte seines Auftraggebers nutzte. Der Versicherungsträger hielt dies für Scheinselbstständigkeit. Die Vergütung erfolgte allerdings als Pauschalhonorar bzw. Festpreis. Das LSG entschied, dass in diesem Fall ein Unternehmerrisiko (und damit Selbstständigkeit) bestand. Denn die vereinbarte Leistung musste auch dann vollständig erbracht werden, wenn dies mehr Zeit erforderte, als kalkuliert. Zudem beschäftigte der Kläger eine eigene sozialversicherungspflichtige Mitarbeiterin. Mit dieser Beschäftigung sowie aufgrund der zu zahlenden Beiträge für Betriebshaftpflicht und Berufsgenossenschaft hat er auch dann Aufwendungen, wenn keine Aufträge vorliegen.

LSG Baden-Württemberg - Urteil vom 16.12.2014 - L 11 R 2387/13

Anders dagegen, wenn ein Baggerfahrer ohne eigenen Bagger für einen festen Stundenlohn arbeitet. Dann entfällt das Risiko, für seinen Arbeitseinsatz u.U. keine Gegenleistung zu erhalten. Die Vereinbarung eines festen Stundenlohns entspricht der typischen Entlohnung eines abhängig Beschäftigten.

LSG Baden-Württemberg - Urteil vom 30.09.2014 - L 11 KR 2937/13 (nicht veröffentlicht)

Wir beraten und vertreten ständig zu Fragen der Statusklärung, im Rahmen von Betriebsprüfungen sowie bei Strafermittlungen der Hauptzollämter.

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