Zuständigkeitsstreitigkeiten - SG Hannover – Beschluss vom 30.08.2016 – S 11 KR 1646/16 ER

Sozialleistungsträger dürfen ihr Zuständigkeitsstreitigkeiten nicht auf dem Rücken der Hilfeempfänger austragen. Gleichwohl schieben sich die Behörden selbst in dringenden Hilfefällen Anträge gegenseitig zu, ohne eine Entscheidung zu treffen. In solchen Fällen kann einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden.

In einem erfreulich kurzen und präzisen Beschluss vom 30.08.2016 hat das Sozialgericht Hannover hierzu Stellung genommen und dir Region Hannover zur Leistung von Eingliederungshilfe verpflichtet, nachdem sich die Techniker Krankenkasse und die Region Hannover über einen längeren Zeitraum über ihre Zuständigkeit gestritten hatten, ohne dass sich in der Sache selbst irgendetwas bewegt hätte.

Betroffen war ein fünfjähriger Junge, der unter einer Epilepsie mit myoklonisch-atonischen Anfällen leidet und bei dem mehrfach täglich verschiedene Anfälle auftreten können. Dabei kann es passieren, dass er in sich zusammensackt und sturzgefährdet ist. Zum Teil kommt es dabei auch zu Streckungen der Arme oder Zittern der Arme und Beine.

Um der Gefahr von Stürzen und Folgebeeinträchtigungen während des Kindergartenbesuchs zu begegnen, verordnete der Kinderarzt eine „Integration für den Kindergarten“ als häusliche Krankenpflege. Die Eltern stellten einen entsprechenden Antrag zunächst bei der Techniker-Krankenkasse unter Vorlage der ärztlichen Verordnung. Diese bewilligte im Jahr 2015 eine Kindergartenbegleitung zunächst für ein Jahr, befristet bis 31.08.2016, als „häusliche Krankenpflege.“

Im November 2015 ließ die TK den Fall durch den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) begutachten. Dieser stellte fest, dass der Hilfebedarf zwar zweifellos gegeben sei, da der Junge bei Anfällen in sich zusammensacke und daher sturzgefährdet sei. Es handele sich aber nicht um einen Fall der häuslichen Krankenpflege. Denn es seien keine behandlungspflegerischen Maßnahmen erforderlich. Der MDK empfahl, die Zuständigkeit der Sozialhilfe zu prüfen. Es würde sich wohl eher um Eingliederungshilfe handeln.

Im Juni 2016 stellten die Eltern einen Folgeantrag für ein weiteres Jahr bei der TK. Dies teilte daraufhin mit, dass der Antrag aufgrund der Empfehlung des MDK an den Sozialhilfeträger weitergeleitet worden sei. Der Sozialhilfeträger lehnte seine Zuständigkeit ab und berief sich auf diverse Gerichtsentscheidungen.  Die TK hielt ihrerseits an ihrer Rechtsauffassung fest und lehnte die Fortsetzung der Hilfe in eigener Zuständigkeit ab.

Da keiner der beiden Kostenträger nachgab und ohne eine Entscheidung über die Fortsetzung der Hilfe der Kindergartenbesuch gefährdet war, wurde beim Sozialgericht Hannover eine einstweilige Verfügung beantragt und zwar zunächst gegen die Techniker Krankenkasse hilfsweise aber auch gegen die Region Hannover, die zu dem Verfahren beigeladen wurde.

Das Sozialgericht verpflichtete die Region Hannover, die Leistung zu erbringen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, dass die TK den Antrag zurecht weitergeleitet habe. Damit sei die Region zuständig geworden und müsse den Antrag unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Rechtsgrundlagen prüfen.

SG Hannover – Beschluss vom 30.08.2016 – S 11 KR 1646/16 ER