Scheinselbstständigkeit im Speditions- und Transportgewerbe: Fahrer ohne eigenes Kraftfahrzeug

In der Rechtsprechung der Sozialgerichte zeichnet sich zunehmend die Tendenz ab, sämtliche Fahrer als abhängig Beschäftigte zu qualifizieren, die bei der Ausführung von Transportaufträgen kein eigenes Fahrzeug einsetzen, sondern das jeweilige Fahrzeug vom Auftraggeber gestellt bekommen. Der entscheidende Grund ist in der Regel das Fehlen eines Unternehmerrisikos. Dies ist das Kernmerkmal der selbstständigen Tätigkeit schlechthin. In den Entscheidungen der Sozialgerichte findet sich standardmäßig der Hinweis, dass „ …. eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet“ ist. Ob dieses Merkmal erfüllt ist, muss anhand aller konkreten Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat hierzu in einem Urteil vom 22.04.2015 ausgeführt:

„Der Beigeladene zu 1) hat zur Ausübung der streitbefangenen Tätigkeit jedoch weder Kapital noch Arbeit mit der - ein unternehmerisches Risiko begründenden - Gefahr des Verlustes eingesetzt.

(a)   Der Beigeladene zu 1) setzte zur Erfüllung der streitbefangenen Transportaufträge weder ein eigenes Transportfahrzeug, noch sonstige Betriebsmittel ein. Er hat vielmehr durch den Verzicht auf die Anschaffung eines eigenen Speditionsfahrzeugs ein solches Risiko gerade vermieden. Das für die Ausführung der Transportaufträge erforderliche Fahrzeug ist ihm vielmehr von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gestellt worden. Soweit die Klägerin behauptet hat, der Beigeladene zu 1) habe wegen der Bereitstellung der Fahrzeuge Mietzahlungen leisten müssen, hat sich dieser Vortrag - worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat - im gerichtlichen Verfahren nicht bestätigt.

(b)   Zudem wurde der Beigeladene zu 1) nach einem festen Stundenlohn vergütet, sodass der Einsatz seiner Arbeitskraft unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit für die Klägerin vergütet wurde. Der vereinbarte Stundenlohn von (lediglich) 13,00 EUR lässt nennenswerte eigene unternehmerische Gestaltungsräume zugunsten des Beigeladenen zu 1) auch nicht zu.“

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - Urteil vom 22.04.2015 - L 8 R 680/12