Der Dauerbrenner: Einstellung des Krankengeldes nach MDK-Gutachten

Die gesetzlichen Krankenkassen sind berechtigt und in bestimmten Fällen sogar verpflichtet, zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) einzuholen (§ 275 SGB V).

Wenn der MDK die Arbeitsfähigkeit als wiederhergestellt ansieht, kann die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes einstellen. In der Praxis ist zu beobachten, dass von Seiten des MDK nur kurze Vermerke nach Aktenlage anstelle echter Gutachten gefertigt werden. Das ist nicht rechtmäßig. Ein kurzer Vermerk ist keine gutachtliche Stellungnahme im Sinne des Gesetzes und deshalb auch nicht geeignet, die Einstellung des Krankengeldes zu rechtfertigen. Eine gutachtliche Stellungnahme im Sinne des Gesetzes verlangt zumindest, dass der begutachtende Arzt sich mit den ihm bekannten Befunden und Diagnosen der behandelnden Ärzte auseinandersetzt, einen Bezug zum Leistungsvermögen des Versicherten herstellt und eine eigenständige Beurteilung abgibt. Die Richtigkeit der ärztlichen Äußerung muss überprüfbar sein. Eine Stellungnahme per Formular ist kein ärztliches Gutachten (Bundessozialgericht U. v. 07.08.1991 – 1/3 RK 26/90).

Beispiel 1:

 

Beispiel 2: Einstellung des Krankengeldes nach Genehmigung einer Urlaubsreise

Der Versicherte war wegen psychischer Beschwerden arbeitsunfähig und bezog Krankengeld. Während dieser Zeit wollte er eine Auslandsreise antreten. Dies zeigte er der Krankenkasse an, die hierfür Zustimmung erteilte und die Weiterzahlung des Krankengeldes während des Auslandsaufenthaltes zusicherte. Dieses Vorgehen ist rechtlich korrekt: Zwar ruht der Anspruch auf Krankengeld, wenn sich der Versicherte während der Bezugsdauer im Ausland aufhält. Dies gilt aber nicht, wenn die Krankenkasse dem Auslandsaufenthalt zustimmt (§ 16 Abs. 4 SGB V). In diesem Fall legte die Krankenkasse den Fall jedoch kurz vor Urlaubsantritt dem MDK zu einer erneuten Prüfung der Arbeitsunfähigkeit vor. Der MDK entschied ohne persönliche Untersuchung, allein aufgrund der Aktenlage, dass ab Beginn der Reise keine Arbeitsunfähigkeit mehr gegeben sei. Die Kasse stellte daraufhin die Zahlungen ein. In der Widerspruchsbegründung wurde die Vorgehensweise des MDK beanstandet. Die Krankenkasse veranlasste daraufhin eine erneute, diesmal persönliche Untersuchung, die für den Versicherten positiv endete. Dem Widerspruch wurde abgeholfen und das Krankengeld unter Nachzahlung der einbehaltenen Beträge weiterbewilligt.

 

Fall 3: Einstweilige Anordnung des SG Hannover - Beschluss vom 19.04.2017 - S 50 KR 216/17 ER

Eine Krankenkasse darf die vom Arzt attestierte Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüfen lassen. Wenn der MDK feststellt, dass der Versicherte wieder arbeitsfähig ist, kann die Krankengeldzahlung eingestellt werden. Die Gutachten des MDK müssen aber nachvollziehbar sein.
 
Liegen diese Voraussetzungen vor, kann die Krankenkasse im Einzelfall durch einstweilige Verfügung verpflichtet werden, die Zahlung des Krankengeldes vorläufig wieder aufzunehmen.
 
Das Sozialgericht Hannover hat in einem Beschluss vom 19.04.2017 entschieden, dass ein MDK-Gutachten, welches keine aktuellen Befunde und Diagnosen angibt, sondern auf frühere Erkrankungen abstellt, die nach Auswertung der Befundberichte der behandelnden Ärzte derzeit gar nicht mehr vorliegen, keine Entscheidungsgrundlage darstellt. Die Krankenkasse wurde daher verpflichtet, das Krankengeld vorläufig weiter zu zahlen.
 
Das Sozialgericht entschied zudem, dass ein Krankengeldbbezieher sich nicht auf Hartz-IV-Leistungen oder Sozialhilfe verweisen lassen muss. Denn das Krankengeld ist regelmäßig höher bemessen, als die Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII.